Rund 350 Waldbesitzer und interessierte Bürger konnten von Jochen Bier in der bis auf den letzten Platz besetzten Seewaldhalle begrüßt werden. Für die Seite der Befürworter waren vom MLR in Stuttgart Herr MD Reimer und Herr Landesforstpräsident Reger zu Gast, als Kritiker war Herr Friderichs von der Unternehmensleitung Hohenzoller´sche Forstbetriebe der Einladung gefolgt. Unter der Leitung von Altbürgermeister Schebetka begann die Diskussionsrunde mit Herrn MD Reimer. Er erläuterte nochmals kurz die Gründe für die Ausweisung eines Nationalparks, für den bereits die schwarz- gelbe Vorgängerregierung Pläne hatte. Reimer sieht in dem angedachten Nationalpark kein Prestigeprojekt der Grünen, sondern verwies darauf, dass ein Nationalpark einen wertvollen Beitrag zum Naturschutz liefert und Baden- Württemberg noch nicht über diese Schutzkategorie verfügt. Ein so wirtschaftlich erfolgreiches Land wie Baden- Württemberg sollte es sich leisten können, eine Fläche von wenigen Prozent der Natur zurückzugeben, ansonsten dürfe man sich nicht über das Abholzen der Tropen beschweren und mit dem Finger auf andere zeigen. Der Nordschwarzwald bietet sich für die Ausweisung eines Nationalparks besonders an, da die nach internationalen Kriterien geforderte Mindestgröße von 10.000 ha geschlossene Waldfläche und möglichst hohe Naturnähe hier bestehen. Viele Bereiche der geplanten Nationalparkkulisse stehen bereits jetzt unter Naturschutz oder sind besondere Waldschutzgebiete. Zudem sei das Gebiet dünn besiedelt und der Wald wenig anthropogen beeinflusst wie es die Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetztes für die Einrichtung eines Nationalparks vorsehen. Auf 75% der Fläche müssten dann innerhalb der kommenden 25-30 Jahre die Voraussetzungen geschaffen werde, dass künftig auf diesen Kernflächen den natürlichen und dynamischen Abläufen der Natur Vorrang eingeräumt wird. Es handelt sich dabei um einen sogenannten Entwicklungsnationalpark, in dessen Kernflächen über diesen Zeitraum weiterhin naturschutzfachlich notwendige Maßnahmen durchgeführt werden können. Reimer betonte nochmals ausdrücklich, dass für eine Ausweisung nur Staatswaldflächen in Frage kommen und sollten Waldbesitzer im Falle einer Käferkalamität wirtschaftliche Einbußen erleiden, würden hierfür Entschädigungen bezahlt. Diese mehrfache Zusicherung wurde mit Gelächter im Publikum aufgenommen. Reimer betonte immer wieder den ergebnisoffenen und demokratischen Prozess, dass der Nationalpark nicht gegen den Willen der Bevölkerung eingeführt werden soll und das Votum der Raumschaft berücksichtigt wird. Er zeigte sich verärgert über den andauernden Vergleich mit dem Nationalpark Bayrischer Wald, Fehler die dort gemacht wurden, müssten hier ja nicht wiederholt werden.
Als zweiter Redner stellte der Nationalpark- Kritiker Herr Friderichs in seiner PowerPoint- Präsentation zunächst kurz das Unternehmen „Hohenzoller´sche Forstbetriebe“ vor und ging auf die Geschichte und Entwicklung des Nationalparks Bayrischer Wald ein. Der Nationalpark wurde 1970 gegründet und trotz Widerstands der betroffenen Bevölkerung 1995 erweitert. Die Hohenzoller´schen Forstbetriebe grenzen mit großen Flächen an den Nationalpark an und haben massive Probleme mit Käferkalamitäten für die sie bis heute keine Entschädigungen erhalten. Die gezeigten Bilder führten den Anwesenden drastisch vor Augen, mit welchen Entwicklungen auch hier im Nordschwarzwald gerechnet werden muss, sollte es in der angedachten Nationalparkkulisse ebenfalls zu Käfer- und Sturmkalamitäten kommen, wovon bei der derzeitigen Baumartenzusammensetzung auszugehen ist. Herr Friderichs machte deutlich, dass im Nationalpark die Habitatverbesserung für wenige „Spezialisten“ auf Kosten einer Verschlechterung der Bedingungen für viele naturnahe und etablierte Arten erkauft wird. Auch stellte er die Frage, wo die Anerkennung des Alt- und Totholzkonzepts der Forstverwaltung bliebe und das Engagement der Förster für die Habitatverbesserung des Auerwilds. Kritisch sieht Friderichs den verstärkten CO²- Ausstoß durch flächenhaft absterbende Wälder, wohingegen Nutzwälder CO² nachhaltig speichern und fossile Energieträger substituieren (Heizen, Holzbau). Nicht in Abrede stellte Friderichs eine mögliche Zunahme der Übernachtungszahlen, dies war auch im NP Bayrischer Wald zu beobachten. Allerdings stagnieren hier die Übernachtungszahlen mittlerweile und da es nunmehr 14 Nationalparke in ganz Deutschland gibt, wird sich die Zahl der Besucher vermutlich verteilen. Friderichs stellte vor dem Hintergrund, dass der Rohstoff Holz in den kommenden Jahren zunehmend knapper werden wird, die Frage in den Raum, woher das Holz zukünftig kommen soll, das in einem Nationalpark der Nutzung entzogen wird, auch wenn dies „nur“ 40.000-50.000 Festmeter wären. Und wer garantiert, dass das „Ersatz“- Holz mindestens so naturverträglich produziert wird wie dies heute im Nordschwarzwald geschieht? Völlig offen ist das Thema Jagd, hier ist noch unklar, inwieweit es zu Einschränkungen kommen könnte.
In der anschließenden Diskussionsrunde, die stellenweise sehr emotional geführt und immer wieder durch Zwischenrufe unterbrochen wurde, konnten aufgrund des Zeitmangels nicht annähernd alle Wortmeldungen berücksichtigt werden und es blieb die Frage offen, wer letztendlich über einen Nationalpark entscheidet, wenn sich in der betroffenen Bevölkerung eine so große Gegenwehr formiert.